„Eine Zierde für den Verein“

02/2019 Tenri Japanisch-Deutsche Kulturwerkstatt e.V.
Birgit Laskowski (Auszug aus der Eröffnungsrede)

„Die Arbeiten von Maren März locken mit einer großen Vielfalt an Farbe und Gestalten, einer Fülle von Details und Bildern im Bild und bieten in ihrer motivischen Opulenz so zahlreiche narrative Komponenten an, dass der Betrachter sich unmittelbar angezogen fühlt und in die Bilder hineingelockt wird. Alles scheint eng verwoben, in Beziehung zueinander, besiedelt von Figuren, Tieren, Pflanzen, architektonischen Versatzstücken und Landschaftselementen. Auf den zweiten Blick aber tun sich unzählige Freistellen zwischen den Szenen auf den Gemälden auf, Zonen, die entweder ganz frei bleiben oder deren Umrisse lediglich durch die sie umgebende Farbe bestimmt sind. Diese Leerstellen können erholsame Freiräume fürs Auge bedeuten, uns aber auch wie unvermutete Schlaglöcher und Untiefen visuell ins Taumeln und Stolpern bringen.
Und auch wenn die eingangs zitierten Ovidschen Verse den Bildern von Maren März eher stimmungsmäßig verwandt sind, ist das Thema der Verwandlung und Metamorphose auch in den Arbeiten der Künstlerin allgegenwärtig und grundlegend.
Nichts scheint fest, endgültig gesetzt, sondern die Bilder bleiben in Bewegung, es gibt immer weiteres darauf zu entdecken und sie wirken manchmal wie ein Ausschnitt einer Erzählung, oft auch über den Rand der Leinwand und des Blattes gedanklich fortführbar, Ende offen. Wie in der von Ovid beschriebenen Schöpfungsszene, sind die Arbeiten von Maren März „in hold zwieträchtiger Eintracht“ bevölkert von Körpern und Gegenständen, die in permanenter Entstehung und Verwandlung begriffen scheinen, nicht immer in sich selbst konsistent, sondern Zwitterwesen in Übergangssituationen. Ein Motiv entwickelt sich aus dem anderen, und das dabei entstehende Ge-Bilde gleicht einem Gewächs, das stetig weiter knospt und rankt. Der Prozess ist nicht abgeschlossen. Ein nicht von der Kontrolle der Vernunft bestimmtes Tun, das dem Zufall sein Gestaltungsrecht lässt. Die intuitive Dosierung von Steuerung und Rücknahme bedeutet aber bei aller Spontaneität auch hohe Konzentration: Insbesondere das Aquarellieren erlaubt keine Korrektur.
Das Erleben beim Betrachten ist ein sehr physisches Empfinden eines räumlichen Mitwanderns, ist ein lebendiger Sehvorgang in einer Vorwärtsbewegung im Nähertreten zur Fokussierung, rückwärts im Zurückweichen bei der Distanzierung, manchmal ist man versucht, den Kopf zu drehen und das Auge folgt den unerwarteten Richtungswechseln in der Bildanlage. Und auch wenn die Arbeiten häufig sehr sprechende, assoziationsreiche Titel haben, ist der Appell der Bilder eher: „Lassen Sie sich hier mal keine Geschichten erzählen, sondern lesen Sie Ihre eigenen heraus – aktivieren Sie Ihr Vorstellungsvermögen oder geben Sie sich einfach ästhetisch genießend an die Zonen auf den Gemälden hin, in denen sich das Erzählte in eine und dann abstrakte Malerei auflöst.“ Diese Offenheit ist aber nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit. Der Vergleich mit einem Werk der Lyrik liegt nahe: Wie in einem guten Gedicht jedes Wort sitzt und sein unverzichtbares Gewicht und seine Rolle im Gesamtgefüge hat und das Ganze trotzdem offen bleibt, setzt Maren März Farbe und Form gewissermaßen als lyrische Mittel ein. Ihre Poesie manifestiert sich in einer Art synästhetischem Zusammenwirken: Das Sehen eines Farbklang aktiviert weitere Sinneseindrücke – Geschmack, Geruch und Stimmung.“




„Höhenflüge und Abstürze liegen nah beieinander“


03/2019 Kölner Stadtanzeiger
Jürgen Kisters (Auszug)
 
Kunstgeschichtliche Bezüge helfen beim Verstehen ihrer Bilder jedenfalls so wenig weiter wie der Glaube das Leben sei allein mit vernünftigen Erklärungen zu packen. Die motivisch und stilistisch äußerst vielfältige Künstlerin lässt Elemente der Zeichnung und der Aquarellmalerei, Aspekte der anatomisch detailgenauen und der freien figürlichen Darstellung, aufwühlende und besänftigende Gesten ineinander greifen. Aspekte des japanischen Farbholzschnittes, der expressionistischen und der surrealen künstlerischen Moderne durchdringen einander ebenso wie Jahrtausende alte künstlerische Motive und aktuelle Themen. In jedem ihrer Bilder leuchtet mit gleichermaßen kraftvollen wie sanften Farben ziemlich alles auf, was uns das Leben so bezaubernd und schwierig zugleich scheinen lässt. Höhenflüge und Abstürze liegen so nah beieinander wie souveränes Gelingen und spürbare Unbeholfenheit.
Da stößt die Gewalt im Farbauftrag auf größte Zartheit, das Verlangen nach Fassbarkeit auf die Erfahrung, dass alles flüchtig ist. Drama und Romantik, Witz und tiefere Bedeutung, Gespür für das Absurde und den Sinn des Sinnlosen fallen in dieser Malerei zusammen. Und so konnte man in der Ausstellung eine Besucherin zu einer anderen sagen hören „Wissen Sie, die meisten Bilder sprechen nicht zu mir, und ich will sie trotzdem weiter anschauen.“ Besser lässt sich das grundlegende Paradox des Lebens und des Lebens nicht in Worte lassen.




„Um mit der Dame fort zu schweben“

11/2016 K49, Köln
Dr. Andreas Baumerich (Auszug aus der Eröffnungsrede)

Die Rätselhaftigkeit ihrer Bilder verlangt umso mehr, die einzelnen Bildkomponenten bewusst wahrzunehmen und sich in das gesamte Gefüge hinein zu fühlen. Sie appelliert an eine kreative Auseinandersetzung, sowohl auf intellektueller als auch auf emotionaler Ebene. Die besondere Qualität der Kunst von Maren März liegt in dieser lyrischen Offenheit. Stets aufs Neue ist es eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Farbzusammenstellungen, ihrer Auslotung und dem vielfältigen Spiel des Farbauftrags oder dem Fließen der Farbe. Diese offensichtliche Freude an der Farbe an sich lässt einige Areale der Bilder von Maren März als reine Malerei erscheinen.





„grausamft“

 11/2013 Werkschau im Stadtmuseum Euskirchen
Dr. Andreas Baumerich

Die umfangreiche Werkschau im Stadtmuseum Euskirchen zeigt die Bildwelt von Maren März zwischen schwarzem Humor und schönem Schrecken: grausamft!
Mehr als 70 Bilder, Aquarelle, groß- und kleinformatige Ölmalerei, Zeichnungen, Radierungen und Collagen sind zu sehen.
Es ist ein experimenteller Charakter, der die Bilder kennzeichnet. Er hat seine Ursache bereits im Prozess ihrer Entstehung. Oft wird keine Idee für eine Gesamtkomposition zugrunde gelegt, sondern das Bild entsteht aus einer Reihe von Malakten. Sie können mit deutlichem Zeitabstand erfolgen. Nach den ersten Aktionen, etwa dem Setzen einer unbestimmten Linie, dem Auftragen eines flüssigen Farbsees oder flugs hingeschlagenen Pinselhieben, bauen die jeweils folgenden auf den vorangegangenen Ergebnissen auf. Das Vorhandene wird befragt, analysiert, akzeptiert oder verworfen und bedingt gegebenenfalls den nächsten Schritt. Dieser Prozess kann an verschiedenen Stellen einer Bildfläche geschehen. Die entstandenen Bildmotive können dann miteinander verknüpft werden oder roh nebeneinander stehen bleiben. Am Ende ergibt sich ein mehr oder weniger zusammenhängendes oder auch kontrastreiches Zusammenwirken.

Die Zusammenstellungen von Gegensätzen haben nicht zuletzt ihre Ursache in der additiven Entstehung der Bilder. Dies wird besonders in ihren großformatigen Arbeiten erkennbar, wo sich disparate Motivansätze zu einem vielheitlichen Ganzen zusammenfinden. Das produktive Spiel mit dem Zufall beim Entstehungsprozess der Bilder öffnet in uns Betrachtern einen weiteren Raum: es beflügelt die eigene Phantasie und setzt Assoziationen, Gefühle und Gedanken frei. In jedem Fall kommt eine Art psychologische Selbstbefragung in Gang. Der kreative Prozess wird in die Bildbetrachtung verlagert.





„DIE MAGIE DER FLIESSENDEN FARBEN“

03.01.2013, Kölner Stadtanzeiger
Jürgen Kisters (Auszug)

Ausgehend von der menschlichen Figur erzählt März vom Leben in Bruchstücken und seltsamen Verwachsungen. Ausgehend vom Schweben der Aquarellfarben erzählt sie Geschichten, die im großen Meer unserer größtenteils unbewussten Erinnerung kurz an die Oberfläche gespült werden und sogleich wieder darin untergehen. Vertrautes und Fremdes halten einander darin in einem seltsamen Gleichgewicht. Ihre bildlichen Erzählungen fangen genau dort an, wo die Möglichkeiten einer Erzählung mit Worten enden. Ihre Bilder ähneln nicht selten nächtlichen Traumszenarien.
Spielerisch in den Übergängen wechselt die Künstlerin von der expressionistischen figürlichen Darstellung zu Bildformen des Comics, von surrealistischen Kompositionsideen zu Formen fernöstlicher oder abstrakt-expressiver Malerei. So souverän die Bilder auf den ersten Blick wirken, so intuitiv-improvisiert und unsicher sind sie bei genauer Betrachtung. Jedes Bild ist ein einmaliges Abenteuer, das dort besonders interessant wird, wo es der Künstlerin gelingt, sich von Motivabsichten in gänzlich unbekannte Bildgefilde ablenken zu lassen.







„BILDER MIT ZEIT“

09/2010 Brühler Kunstverein
Dr. Andreas Baumerich (Auszug aus der Eröffnungsrede)

Gerade feucht genug war das weiche Aquarellpapier, um den ersten Farbauftrag zu erhalten. Selbst nach dem Trocknen wirken die Oberflächen immer noch nass oder zeigen deutlich die Spuren der Feuchtigkeit, des Schwimmens, des Ineinander- und Auseinanderfließens der Farben. Das feuchte Element der Aquarellmalerei bestimmt wesentlich die Erscheinung vieler Bilder von Maren März. Selbst erkennbar gesetzte Pinselstriche können zerfasern und in die Oberfläche einfließen und gefiedert erscheinende Ränder bekommen. Verschiedene Breiten von Pinseln, Schwämme und textile Mittel zum Farbauftrag eröffnen weitere Möglichkeiten, den Farbflächen Effekte abzugewinnen.
Wenn der nächste technische Schritt eine trockene Oberfläche erfordert, eröffnet das Warten auf diesen Zustand eine weitere Zeitebene. Wobei ein erneutes späteres Wässern wieder ein Warten bis zum nächsten Schritt erzwingt. Auch die auf trockenen Grund gesetzte Farbe muss gegebenenfalls erst einmal wieder trocknen.
So ergibt sich ein meditativ anmutender Wechsel zwischen Phasen der Tätigkeit und des Abwartens. Es ist die Zeit, die der Künstlerin ermöglicht, eigene Assoziationen über die bisherigen Bildelemente zu entwickeln und weitere Bildgestaltung zu planen. In dieser Zeit trocknet die Farbe, wobei sich Ränder bilden können oder bei trockenem Papier sich die Binnenstrukturen selbständig weiterentwickeln, so dass sich der Prozess auch ohne direktes Zutun der Malerin fortsetzt. Das vom Zufall mitbestimmte Ergebnis ist dann die Basis für den nächsten Schritt. Korrekturen sind allerdings dem Wesen der Aquarellmalerei weitgehend fremd, so dass eine hohe Konzentration und das Hinnehmen und der Reiz von Ungewolltem den Charme der Bilder mit ausmachen. Damit zusammen erzeugt der Wechsel zwischen Aktion und Reaktion, Handeln und Warten einen prozesshaften Charakter der Bilder. Er betrifft nicht nur die für die Bildwirkung so wichtige technische Seite, sondern stellt ebenso eine Verbindung zu den dargestellten Szenerien her, die auch einer im übertragenen Sinne einer „fließenden“ Welt von Imagination und Traum anzugehören scheinen.                                           
Ständig zeigt sich der Aspekt des Zeitlichen: Die Arbeiten von Maren März mit ihrer weichen Oberfläche des Aquarellpapiers „fordern“ Zeit – die der Malerin und die der Betrachter. Wie die Technik ein Wiederanfangen, Neubewerten und Akzeptieren des gelenkten Zufalls beinhaltet, so muss auch beim Betrachter der Eindruck des zuerst Gesehenen wieder in Frage gestellt werden, um in einer weiterführenden Betrachtung gegebenenfalls erneut revidiert zu werden. Der Betrachter nimmt sich die Zeit, die die Bilder ihm geben, und die sie in sich tragen.

„ETWAS FÜGT SICH, ETWAS ANDERES SPERRT SICH“

10/2010 „Etwas fügt sich, etwas anderes sperrt sich“
Dr. Christiane Fricke (Auszug aus dem Katalogtext)

In den Aquarellen generieren Kontrolle ebenso wie der Zufall den Bildfindungsprozess oder, um es mit den Worten der Künstlerin zu umschreiben: „ein Wille und ein Unwille“. Sie legt eine Spur, eine Richtung an; plötzlich entsteht ein Klecks, ein Hindernis. „Etwas fügt sich, etwas anderes sperrt sich.“ Es ist eine halbbewusste Art des Vorgehens, das Spuren von Wahrgenommenen, Erinnertem und Geträumten sichert, dabei aber immer wieder neu ansetzt. Das Procedere braucht Zeit. Maren März hat ihre Bildfindung auch einmal mit einem Spaziergang verglichen, auf dem verschiedene Situationen die Aufmerksamkeit fesseln: „ein Maulwurf, der soeben seinen Hügel erhöht und ein Schwan, der sein Gefieder putzt, während die Gedanken Kapriolen schlagen.“