Gerade feucht genug war das weiche Aquarellpapier, um den ersten Farbauftrag zu erhalten. Selbst nach dem Trocknen wirken die Oberflächen immer noch nass oder zeigen deutlich die Spuren der Feuchtigkeit, des Schwimmens, des Ineinander- und Auseinanderfließens der Farben. Das feuchte Element der Aquarellmalerei bestimmt wesentlich die Erscheinung vieler Bilder von Maren März. Selbst erkennbar gesetzte Pinselstriche können zerfasern und in die Oberfläche einfließen und gefiedert erscheinende Ränder bekommen. Verschiedene Breiten von Pinseln, Schwämme und textile Mittel zum Farbauftrag eröffnen weitere Möglichkeiten, den Farbflächen Effekte abzugewinnen.

Wenn der nächste technische Schritt eine trockene Oberfläche erfordert, eröffnet das Warten auf diesen Zustand eine weitere Zeitebene. Wobei ein erneutes späteres Wässern wieder ein Warten bis zum nächsten Schritt erzwingt. Auch die auf trockenen Grund gesetzte Farbe muss gegebenenfalls erst einmal wieder trocknen.
So ergibt sich ein meditativ anmutender Wechsel zwischen Phasen der Tätigkeit und des Abwartens. Es ist die Zeit, die der Künstlerin ermöglicht, eigene Assoziationen über die bisherigen Bildelemente zu entwickeln und weitere Bildgestaltung zu planen. In dieser Zeit trocknet die Farbe, wobei sich Ränder bilden können oder bei trockenem Papier sich die Binnenstrukturen selbständig weiterentwickeln, so dass sich der Prozess auch ohne direktes Zutun der Malerin fortsetzt. Das vom Zufall mitbestimmte Ergebnis ist dann die Basis für den nächsten Schritt. Korrekturen sind allerdings dem Wesen der Aquarellmalerei weitgehend fremd, so dass eine hohe Konzentration und das Hinnehmen und der Reiz von Ungewolltem den Charme der Bilder mit ausmachen. Damit zusammen erzeugt der Wechsel zwischen Aktion und Reaktion, Handeln und Warten einen prozesshaften Charakter der Bilder. Er betrifft nicht nur die für die Bildwirkung so wichtige technische Seite, sondern stellt ebenso eine Verbindung zu den dargestellten Szenerien her, die auch einer im übertragenen Sinne einer „fließenden“ Welt von Imagination und Traum anzugehören scheinen.
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Ständig zeigt sich der Aspekt des Zeitlichen: Die Arbeiten von Maren März mit ihrer weichen Oberfläche des Aquarellpapiers „fordern“ Zeit – die der Malerin und die der Betrachter. Wie die Technik ein Wiederanfangen, Neubewerten und Akzeptieren des gelenkten Zufalls beinhaltet, so muss auch beim Betrachter der Eindruck des zuerst Gesehenen wieder in Frage gestellt werden, um in einer weiterführenden Betrachtung gegebenenfalls erneut revidiert zu werden. Der Betrachter nimmt sich die Zeit, die die Bilder ihm geben, und die sie in sich tragen.


Dr. Andreas Baumerich
, freier Kunsthistoriker in Köln, Auszug aus der Eröffnungsrede im Brühler Kunstverein im September 2010